Eintrag 6: Woche 4 (Von Eiern und Wein)
Liebe Alle
Wort der Woche: les œufs - die Eier - “Manchmal ist alles was man braucht ein Glas Wein, ein paar Eier und Menschen, die man liebt.”
Diese Woche verging wie im Flug. Am Sonntag verbrachte ich den ganzen Tag zuhause und habe nichts getan. Stimmt nicht. Nicht nichts. Nur wenig. Das Highlight war, dass ich das Telefonieren für mich entdeckt habe. Am Montag habe ich dann das gemacht, was ich eigentlich am Sonntag machen wollte - die Wohnung geputzt. Am Dienstag habe ich mich endlich wieder aufgerafft, etwas Sinnvolles zu tun. Am Morgen war ich zu Hause und habe mir vorgenommen zu lernen. Natürlich habe ich alles andere gemacht als lernen. Wäsche gewaschen. Geschrieben. Youtube Videos über Love Island geschaut… Ich bin also so auf dem Sofa am Prokrastinieren, meine Aufmerksamkeit ist auf Sparflamme - Konzentration gleich null und schaue in mein Telefon. Und dann kommt mein Fuss an meine Kaffeetasse auf dem Stubentischchen. Meine Instinkte wieder aufgeweckt, versucht meine Hand in einer Übersprungshandlung die Tasse aufzufangen, wodurch sie natürlich erst recht ins Ungleichgewicht fällt und – boom –Tasse in der Hand – Kaffee auf dem Teppich. Auf dem beigen Teppich. Zehn Sekunden später knie ich auf dem Boden und putze verzweifelt den Teppich. Wenigstens bin ich jetzt wieder wach. Als ich so putzend auf dem Boden sitze schaue ich zum Fenster und sehe eine Wespe hilflos gegen die Scheibe donnern. Ich gehe zum Fenster, um es zu öffnen und – boom – Fenster in meinen Armen. Ich habe den Henkel falsch umgedreht und das Fenster ausgehängt statt einfach nur aufgemacht. Mühsam habe ich das Fenster wieder eingehängt und musste schauen, dass ich dabei nicht aus dem Fenster segelte. Fünf Minuten später, das Fenster war wieder eingehängt und zu, ich noch am Leben. Und die Wespe? Die war immer noch im Wohnzimmer. Danke dafür. Der Fleck auf dem Teppich ist wie durch ein Wunder verschwunden und ich war wenigstens wacher als vorher. Ich wusste, es ist Zeit diese Wohnung zu verlassen, wenn ich noch etwas Sinnvolles leisten wollte. Und nicht noch mehr kaputt gehen sollte. Also, los gings in die Vorlesung - Urologie. Ja Mann. Im wahrsten Sinne des Wortes. Obwohl Frauen auch zum Urologen gehen. Vergesst, was ich gesagt habe. In der Vorlesung ging es zwei Stunden um Inkontinenz und Harnverhalt. Also die einen, die pinkeln ohne es zu wollen und die anderen die pinkeln wollen aber es nicht können. Ich habe mich gefreut. Einerseits, weil ich weder das eine noch das andere Problem habe und andererseits, weil ich zum ersten Mal etwas verstanden habe in der Vorlesung. Woo! Erfolg.
Ich freute mich noch mehr, als die Vorlesung zu Ende war. Ich fuhr direkt in die Innenstadt - meine Eltern waren da!! Ich habe mich so auf sie gefreut! Manchmal ist das Beste auf der Welt eine Umarmung. Noch besser eine Umarmung von seinen Eltern. Wir waren in einem koreanischen Restaurant zum Abendessen. Das Essen war sehr lecker. Sie haben zwar die Hauptspeise vor der Vorspeise gebracht und dann wieder mitgenommen, um sie wieder zu bringen, nachdem wir dann die Vorspeise bekommen und gegessen hatten. Danach hat mein Vater das ganze Restaurant daran erinnert, dass es einen Song namens „Gangnam Style“ gibt (das Restaurant hiess “Gangnam”), indem er ihn für alle hörbar abgespielt hat. Nachdem wir ihn alle für so viele Jahre erfolgreich verdrängt hatten (den Song, nicht meinen Vater) und gehofft hatten, ihn nie wieder hören zu müssen. Es sei denn ihr mögt diesen Song, dann hört ihn euch so oft an, wie ihr wollt. Nur bitte nicht in der Öffentlichkeit. Dennoch war es ein wundervoller Abend. Am Mittwoch habe ich den Tag mit meinen Eltern verbracht. Ich habe fast vergessen, wie lustig die beiden sind. Ich habe schon lange nicht mehr so viel gelacht. Da Lyon die Stadt des guten Fleisches ist und mein Vater Fleisch sehr gerne isst, haben wir beschlossen, in einem veganen Restaurant zu Abend zu Essen. Das Essen war sehr lecker und der Service war super. Unser Tisch war gerade an der Theke zur offenen Küche hin und wir waren die einzigen, die im Restaurant sassen. Mein Vater hat als erstes darum gebeten die Musik leiser zu stellen (machen das eure Eltern auch?), worauf wir herausgefunden haben, dass der Kellner nebenberuflich DJ ist. Er hat uns dann seine eigene Musik vorgespielt (in angemessener Lautstärke natürlich), um unsere Meinung dazu zu hören. Nach ein paar Stunden und ein paar mehr Gläsern Wein, haben mein Vater und der Kellner, die durch das Philosophieren über Wein und Musik eine wunderbare Freundschaft entwickelt hatten, begonnen, sich gegenseitig ihre Lieblingslieder vorzuspielen. Ach, so schön. Ich glaube, mein Vater hat uns verziehen, dass es kein Fleisch gegeben hat. Es war sehr unterhaltsam und ich fühlte mich wie zu Hause. Da endet auch jeder Abend damit, wie wir uns gegenseitig unsere Lieblingslieder vorspielen, um uns zu beweisen, dass wir einen guten Musikgeschmack haben. Am Donnerstag morgen gab es dann noch Frühstück bei mir zuhause. Es gab 3-Minuten-Eier. Ich war das „Egg of the day“. Ich habe diese zwei Tage mit meinen Eltern unglaublich genossen. Dann hiess es auch schon wieder Abschied nehmen. Meine Eltern sind wieder abgereist. Sie haben mir meine Bettdecke aus der Schweiz, die guten Kaffeekapseln und ein neues Paar Schuhe aus Spanien dagelassen. Und ganz viel Energie für die kommenden Wochen. Schon unglaublich, was einem Menschen (die man gerne hat) schenken können. (Und ich meine damit nicht die Schuhe).
Donnerstagabend war ich eingeladen bei Freunden in der Studenten Residenz. Tortilla-Nacht. Die spanische Tortilla, nicht die mexikanische. Das ist nicht das gleiche. Wir waren alle in der Gemeinschaftsküche der Studentenresidenz. Entschuldigung an all diejenigen, die da wohnen und sich gemütlich im Pyjama etwas zu Abend kochen wollten, dies aber nicht gemütlich war, weil 20 ungebetene Fremde zu Besuch waren, um Tortilla zu essen. Die Köche haben zum Glück darauf bestanden, dass alle etwas Flüssiges (Alkohol) und eine Gabel mitbringen. Und Eier. Also vor allem Eier. Natürlich war bei diesen Anweisungen klar, wo die Prioritäten lagen. Als ich ankam wurde mir als erstes gesagt: „Oh schön, du hast auch Eier dabei.“ (Es war nicht ernst gemeint). Denn alle, die eingeladen waren, wollten natürlich zum Essen beitragen und brachten Eier mit. Grosszügig wie alle sind, brachten alle mindestens sechs, wenn nicht zehn Eier. Ich habe zwei gebracht. Ich bin Schweizerin. Als wir so über die Übermenge an Eiern und die Untermenge an Wein diskutierten, kamen schon die nächsten Gäste. „Wir haben Eier dabei!“, sagten sie voller Stolz, einen Zehnerkarton Eier herumschwenkend. Dem Gastgeber war die Enttäuschung über noch mehr Eier ohne Wein ins Gesicht geschrieben und er wusste gar nicht, was er dazu sagen sollte. Also sagte er einfach nichts mehr. Alkohol gab es schlussendlich doch mehr als genug. Spätestens um 2 Uhr nachts als ich mich keinen Zentimeter mehr fortbewegen konnte, weil mein Körper den Alkohol nicht mehr verarbeiten konnte, wusste ich, warum ich keine Trinkspiele mehr spiele. Und obwohl ich bisher kein gutes Haar an den Studentenwohnungen gelassen habe, war ich diese Nacht unendlich froh, dass es sie gibt. Ich war auch meinem Freund (in Freund als Freund und nicht Freund in „mein Freund“ – nicht falsch verstehen) unendlich dankbar, dass er mir sein Bett überliess. Am nächsten Morgen bin ich um 08:00 aufgewacht und machte mich auf den Heimweg. Kennt ihr das, wenn ihr nach einem alkoholreichen Abend einfach nur noch in Zeitlupe funktioniert? Ich konnte förmlich spüren wie mein Hirn nur halb so viele Nervenzellen wie sonst aktiviert hatte. Und nicht mal die waren voll bei der Sache. Ich lief also los Richtung U-Bahn-Station. Nur leider in die falsche Richtung. „Puh, gerade noch gemerkt“, dachte ich und korrigierte meinen Kurs. Ich schaute nochmal auf das Navi und merkte mir den Weg. Dachte ich. Alles geradeaus - das würde ich schon hinkriegen. Ich lief los. Ich bin gelaufen. Und gelaufen. Ziemlich sicher, dass ich richtig lief. Ich schaute noch einmal auf die Karte und habe gesehen… dass ich nicht richtig gelaufen bin. Ich hatte zwar meine Richtung geändert. Nur leider war mein neuer Kurs ebenfalls der falsche. Ich bin also nicht nur zu viel gelaufen, ich musste auch noch länger Metro fahren, weil ich so lange in die falsche Richtung lief, dass ich eine Metrostation übersprungen hatte. Toll. Meine Hirnzellen haben das zu dem Zeitpunkt nicht wirklich verstanden, also hat es mich auch nicht gestört. Ich bin dann irgendwann auch zuhause angekommen - nachdem ich dreimal länger für die Reise brauchte, als eigentlich vorgesehen. Und musste mich erst mal ausruhen. Meine Mitbewohnerin machte sich gerade auf den Weg zur Arbeit als ich mich aufs Sofa setzte. „Warst du einkaufen?“, fragte sie. “Nicht wirklich”, antwortete ich. Aber schön, dass sie mich als „morgens-früh-aufstehen-um-einzukaufen-Person“ einschätzt und nicht als „abends-weggehen-und-so-viel-Wein-trinken-dass-ich-nicht-mehr-nachhause-komme-Person“. Ich habe ihr dann gesagt, dass ich gestern los bin und es erst jetzt nach Hause geschafft habe und vermutlich nicht an die Uni gehen werde. “Studentin müsste man sein”, meinte sie. “Recht hat sie”, dachte ich als sie aus der Tür ging, um etwas für die Gesellschaft zu leisten und ich mich noch einmal hinlegte, um meinen Kater auszuschlafen. Es gibt Momente, in denen ist das Studentenleben hart. Und dann gibt es Momente wie diese. Für mein Gewissen ging ich dann aber natürlich doch noch in die Bib. Meine Freundinnen wollten Mittagessen also ging ich erst mal mit ihnen in die Mensa. Man braucht schliesslich Energie, um zu lernen. Nach dem Mittagessen hatten wir die Idee, statt in die Bib in ein Café zu gehen. Man braucht schliesslich auch Koffein im System, um zu lernen. Nach langem Abwägen von pro und contra haben wir beschlossen, dass ins Café gehen definitiv mehr Sinn machte. Also gingen wir ins Café. Aber haben trotzdem noch ein bisschen gelernt. Fürs Gewissen.
Am Abend ging ich in eine Bar, mit Freunden etwas trinken. Diesmal gab es Cola. Um 00:00 gings nach Hause ins Bett. Ja okay ich bin um 00:45 noch mal aufgestanden, weil ich gemerkt habe, dass ich noch immer nicht gepackt hatte und ich mich eigentlich nur kurz für fünf Minuten hinlegen wollte, um mich mental aufs Packen vorzubereiten. Manchmal dauern fünf Minuten etwas länger als sonst. Ich habe es dann doch noch geschafft und bin dann um 02:00 endgültig ins Bett. Am nächsten Morgen musste ich um 06:00 wieder aufstehen, um den Bus nach Annecy zu erwischen. Girls Trip. Woo! Aber davon erzähle ich euch nächste Woche.
Alles Liebe
-Kayley