Eintrag 3: Woche 1 (Zeit für einen Teppich)

 Liebe Alle

Wort der Woche: le tapis – der Teppich – “D lüüt gönd, aber de Teppich bliibt.”

Ich bin offiziell in Lyon!!! Ich habe immer noch nicht ganz realisiert, dass ich für 10 Monate hierbleiben werde! Ich bin immer noch in Ferienstimmung. Am Montag bin ich mit Lisa losgefahren und wir sind super durchgekommen. Im Apartment angekommen, habe ich mich direkt eingerichtet. Meine Mitbewohnerinnen sind unglaublich nett und es gab direkt am ersten Abend eine Flasche Rosé zum Apéro. Da fühlte ich mich schon etwas mehr zu Hause. Santé!

Am nächsten Tag bin ich mit Lisa in die Innenstadt, um ein paar wichtige Besorgungen zu machen. Nachdem wir zuerst unsere Mägen mit Pancakes überfüllt hatten (warum essen Menschen immer mehr als ihnen gut tut?), war es Zeit ein Handyabo zu lösen. Dabei habe ich auch gerade gelernt, dass man im IPhone eine NanoSIM hat und keine MiniSIM. Der nette Mitarbeiter im Handyshop hat es uns leider erst gesagt als ich die MiniSIM schon bezahlt hatte – danke für die etwas zu späte Info. Leider konnte man das Abo nicht im Shop stornieren und ich auch die SIM nicht austauschen. Daher haben wir den Laden eine halbe Stunde später um 40 Franken ärmer und um zwei SIM-Karten reicher und je ein Abo pro SIM-Karte verlassen. Ich bin nun stolze Besitzerin einer nützlichen NanoSIM (mit französischer Nummer! Erfolg!) und einer völlig überflüssigen MiniSIM. Neben der SIM-Karte musste ich natürlich auch noch ein paar praktische Dinge kaufen, wie Aufbewahrungsboxen, Kaffeekapseln, neue Unterwäsche (das passiert, wenn meine Schwester meint, sie will nur ganz kurz in den Laden schauen gehen – und ich am Ende doppelt so viel Geld ausgebe, wie sie…) und ganz wichtig – einen Teppich. Teppiche machen jedes Zimmer gemütlich. Dass Teppiche nicht unbedingt in jede normalgrosse Einkaufstüte passen, habe ich natürlich in meinem Kaufrausch nicht einkalkuliert aber irgendwie hat es schon funktioniert mit meinem Teppich im Schlepptau. Das Schleppen hat sich auf jeden Fall gelohnt, denn der Teppich ist definitiv eine Bereicherung für mein Zimmer.

Am Mittwoch ist Lisa dann -all by herself- abgereist und hat mich mir selbst überlassen. Nicht ganz, ich habe immer noch meinen Teppich. Der durfte bleiben. Danke für deine aufopfernde Mithilfe beim Zügeln, deine unbezahlbare Gesellschaft, welche ich stets sehr geniesse und deinen Mut, alleine wieder durch Lyon nach Hause zu fahren. Mein Schwesterherz, ich werde dich vermissen.

Am Donnerstag bin ich dann zum ersten Mal zur Uni gefahren, um mich einzuschreiben. Natürlich bin ich nur per Zufall zur Uni gefahren, weil ich es nochmal anschauen wollte aber habe dann vor Ort realisiert, dass man sich nur vor Ort einschreiben kann. Aber da ich dann sowieso vor Ort war, war das kein Problem. Ich weiss jetzt, dass ich die E-Mails noch nicht ganz so gut verstehe, wie ich dachte, da ich wichtige Infos, wie: “man soll unbedingt vorbeikommen, um sich einzuschreiben” nicht mitbekomme, wenn ich die E-Mail lese. Trotz Sprachschwierigkeiten bin ich jetzt offiziell eingeschrieben. Am Abend habe ich dann noch andere Studenten des Erasmus kennengelernt und realisiert, dass mein Französisch besser wurde, je mehr Bier ich getrunken hatte. Leider kann ich dieses gewonnene Wissen nicht für mich nutzen, da ich die meisten Tage nicht einfach betrunken herumlaufen kann. Ich werde also eine andere Lösung finden müssen, um mein Französisch zu verfeinern. Meine Erasmus-Mitstudenten sind alle sehr nett und es ist sehr interessant, während einer Konversation zwischen Deutsch, Englisch und Französisch hin- und herzuwechseln, wobei manchmal auch noch Rumänisch und Lithauisch eingebracht wird, von dem ich leider noch weniger verstehe als von den französischen E-Mails meiner Uni.

Am Freitag hat mich meine Mitbewohnerin zum Essen ausgeführt und ich habe hilfreiche Wörter, wie “draguer” (zu Deutsch: flirten) gelernt und konnte mein Vokabular in den wichtigen Bereichen “Freundschaft”, “Herzschmerz” und “neuer Liebe” ausweiten. Schliesslich ist Französisch doch auch die Sprache der Liebe oder so. Am Samstag habe ich mich mit einem Ersamus-Freund getroffen und wir sind durch ganz Lyon zum Stadtteil La Confluence marschiert. Es war viel zu heiss und meine Schuhe waren viel zu unbequem, aber ich kann mich jetzt zu den Menschen zählen, die den Zusammenfluss der Rhône und der Saône mit eigenen Augen gesehen haben. Dafür bin ich sogar 22'000 gegangen und habe obendrauf noch einen Sonnenbrand geschenkt bekommen. Aber war cool, jetzt weiss ich auch wie Teenager-Schwäne aussehen. Die sind grau, nicht weiss, für die, die noch nie Teenager-Schwäne gesehen haben. Am Abend haben wir uns noch mit anderen Studenten an der Saône getroffen. Ich habe viele schöne Gespräche geführt und herausgefunden, dass fast alle meine Erasmus-Mitstudenten richtige Romantiker sind. Die meisten haben eine Freundin und führen schon über Jahre eine Fernbeziehung. Ihnen zuzuhören, wie sie über ihre Beziehungen sprachen, hat mich zum Nachdenken gebracht. Sie alle haben das gleiche gesagt – wenn man genug Vertrauen hat, dann funktioniert das ganz gut. Nicht nur Vertrauen in die Person, sondern Vertrauen in die Situation. Vertrauen, dass es funktioniert. Die Liebe findet einen Weg. Ich glaube manchmal würde es mir gut tun etwas mehr zu vertrauen. Nicht nur was Beziehungen betrifft aber allgemein im Leben. Vielleicht kann ich das noch lernen. Vielleicht hatte ich auch einfach zu viel Bier getrunken. Wie auch immer, die Aussicht an der Saône war traumhaft schön an diesem Abend. Ich muss sagen, Lyon ist schon eine schöne Stadt. Ich glaube, hier lässt es sich für eine Weile leben.

 Alles Liebe

-Kayley

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